Jane Fonda „Jugendwahn ist so ausgeprägt ...“

Unser Interview mit dem Weltstar zum neuen Film „Book Club“.
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Unser Interview mit dem Weltstar zum neuen Film „Book Club“.

Miss Fonda, das Buch, dass Sie Ihrer Lesegruppe in Ihrem neuen Film „Book Club“ vorschlagen, ist „Fifty Shades of Grey“. Haben Sie selbst den Roman je gelesen?

Selbstverständlich. Und nicht erst als Vorbereitung auf den Film, sondern gleich, als er damals zum Bestseller wurde. Ich wollte wissen, was es mit diesem Buch auf sich hat, um das alle so viel Getue machen. (lacht) Und ich bin wirklich froh, dass es geschrieben wurde, denn meiner Meinung nach hat es viele amerikanische Frauen wachgerüttelt. In Europa ist das natürlich etwas anderes. Ich habe ja selbst mal zehn Jahre in Frankreich gelebt und „Die Geschichte der O“ mehr als einmal gelesen.

Würden Sie sagen, dass gerade Sex jenseits einer gewissen Altersgrenze noch immer ein Tabu ist?

Ich würde sogar sagen, dass zumindest hier in den USA das Thema Sex allgemein noch immer ein Tabu ist. Verrückterweise, denn gleichzeitig findet man ja Pornografie an jeder Ecke. Aber darüber gesprochen wird einfach nicht. Und natürlich haben Sie recht: Altersdiskriminierung kommt noch dazu. Der Jugendwahn ist so ausgeprägt, dass viele Leute förmlich einen Ekel zu empfinden scheinen bei der Vorstellung, ältere Menschen könnten noch sexuell aktiv sein. Nicht zuletzt deswegen war ich ja so begeistert von „Book Club“, in dem bei diesen nicht mehr ganz jungen Ladys noch einiges los ist.

Das war der Grund, die Rolle anzunehmen?

Auch. Ich fand das Drehbuch obendrein einfach witzig. Und mir gefiel, dass es hier um Frauenfreundschaften geht, denn nichts im Leben ist so wichtig wie die Freundschaft zwischen Frauen. Nicht einmal Sex. (lacht)

Da lässt sich durchaus eine Parallele zu Ihrer Serie „Grace and Frankie“ erkennen ...

Auf jeden Fall!

Pflegen Sie selbst solche Freundschaften?

Das tue ich, und sie sind mir sehr wichtig. Gerade weil ich früher jemand war, der die Bedeutung solcher Frauenfreundschaften lange nicht wirklich zu schätzen wusste. Heute tue ich es und habe gelernt, dass man auch sehr bewusst etwas für ihren Erhalt tun muss. Nicht zuletzt, wenn man erfolgreich und alt ist.

Und wie sieht es aus mit den Männern? Gehen Sie noch auf Dates?

Bis letztes Jahr habe ich es noch getan. Jetzt lasse ich es sein.

Warum?

Ach, ich liebe es einfach, alleine zu leben. Vor einigen Jahren, mit 72 oder 73, habe ich noch einmal eine neue Beziehung begonnen. Der Zeitpunkt damals war gut. Ich hatte gerade ein neues Kniegelenk verpasst bekommen, und in einer neuen Beziehung ist es ja wichtig, dass man auf die Knie gehen kann. (lacht) Aber dann wurde er sehr krank, obwohl er jünger war als ich. Und ich bin einfach niemand, der sonderlich gut darin ist, sich um andere zu kümmern. Heute kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, noch einmal mit einem Mann zusammenzuleben.

Ist dies das erste Mal in Ihrem Leben, dass Sie alleine leben?

Im Grunde ja. Ich lebe zum ersten Mal in einem Zuhause, in dem alles meins und von mir ausgesucht ist. Ich hätte manchmal gar nichts dagegen, einfach zu Hause zu bleiben und in meinem gemütlichen Bett zu liegen. Das vibriert nämlich!

Sie sind inzwischen achtzig Jahre alt und scheinen so gut beschäftigt wie nie zu sein. Wie stehen Sie dieses Arbeitspensum eigentlich durch?

Manchmal frage ich mich das selbst. Das Wichtigste für mich ist auf jeden Fall, dass ich fast jede Nacht neun Stunden schlafen kann. Ist das nicht herrlich? Würde ich mein Bett mit jemandem teilen, wäre das sicherlich nicht so ohne Weiteres möglich. Gesund sein und genug schlafen, das verleiht jedenfalls reichlich Energie. Aber ich kneife mich fast täglich, weil ich es nicht glauben kann, wie meine Karriere gerade verläuft. Immerhin hatte ich mich schon einmal 15 Jahre lang komplett aus dieser Branche verabschiedet.

Bereuen Sie diese Frührente inzwischen?

Nein, denn ich hatte ja Gründe dafür. Ich habe die Schauspielerei nicht, wie oft geschrieben wird, für meinen damaligen Mann Ted Turner aufgegeben, sondern weil ich keinen Spaß mehr daran hatte. Heute liebe ich meinen Job wieder, und ich genieße es, eine alte Frau zu sein, die noch ganz gut aussieht und etwas zu sagen hat. Deswegen gehe ich auch sobald nicht wieder in Rente. Zumal ich es mir dann nicht nach 15 Jahren wieder anders überlegen könnte. Mit 95 Jahren muss ich in Hollywood schließlich wirklich nicht mehr um die Ecke kommen.

Dass Sie noch „ganz gut“ aussehen, ist natürlich eine Untertreibung ...

Danke schön. Vielleicht haben Sie recht. Schließlich mache ich immer noch Werbung für L’Oréal. Welche Frau über achtzig kann das schon von sich behaupten?

Lassen Sie uns noch über „Book Club“ sprechen – und über Ihre Kolleginnen Diane Keaton, Candice Bergen und Mary Steenburgen ...

Ich glaube, der Regisseur und die Crew hatten im Vorfeld echt Angst, denn wir vier kannten uns vor dem Film nicht wirklich. Also wusste niemand so recht, ob nicht die eine oder andere eine fürchterliche Diva sein würde. Stellen Sie sich vor, wir alle vier wären es gewesen und hätten uns ständig angezickt, wer mehr Nahaufnahmen und/oder mehr Dialoge hat. Aber dann verlief gleich unsere erste Szene ganz wunderbar, in der die anderen sich um mich kümmern müssen, weil ich betrunken und hysterisch im Bademantel einen großen Fehler bereue. Dass ich noch nie das geringste Problem damit hatte, auf der Leinwand furchtbar auszusehen, und ich deswegen wirklich sehr hysterisch und fertig war, half vermutlich, das Eis zu brechen.

Sie alle trinken im Film jede Menge Wein, nur Sie dürfen sich ab und zu auch mal einen Wodka genehmigen. Genau wie in „Grace and Frankie“. Zufall?

Oh, vermutlich nicht, denn ich selbst liebe Wodka sehr. Ohne Frage die größte Gemeinsamkeit, die ich mit meinen Figuren habe. Ich bevorzuge Wodka, die meisten meiner Freunde Tequila. Kein Wunder, dass ich zu Hause eine ziemlich gut ausgestattete Bar habe.

Und wie steht es mit Büchern? Lesen Sie so gerne wie die Frauen in „Book Club“?

Sogar mehr. Bücher sind mein Leben. Ich lese im Durchschnitt zwei oder drei die Woche. Zuletzt zum Beispiel „When they call you a terrorist“ von Patrisse Khan-Cullors, einer der Gründerinnen der Bewegung Black Lives Matter. Und „Make Trouble“ von Cecile Richards, die lange die Organisation Planned Parenthood geleitet hat. Ich lese am liebsten Sachbücher, einfach weil ich so wissbegierig bin und lernen will.

Sind Sie denn, wo Sie gerade die Bücher solcher Aktivisten erwähnen, optimistisch, was die Zukunft angeht?

Was wir gerade erleben, sind „the best of times and the worst of times“, um mal Dickens und sein „Eine Geschichte aus zwei Städten“ zu zitieren. Man muss sich entscheiden, welche Perspektive man einnimmt. Was aktuell passiert, ist sehr gefährlich, nicht nur in den USA, sondern auf der ganzen Welt. Überall steigen sogenannte starke Männer an die Macht auf. Das ist ja immer so: Sobald auf der Welt Chaos herrscht – für das zum Beispiel die globale Erwärmung verantwortlich ist – stärkt das solche Tyrannen. Gleichzeitig rüttelt das allerdings auch alle anderen auf, und dieser Tage sind die Menschen so wachsam und engagiert wie lange nicht. Deswegen ist das der Aspekt unserer gegenwärtigen Situation, auf den ich mich konzentriere.

*Interview: Jonathan Fink

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