Pride in Jamaika: Mut zum Widerstand

Montego Bay auf Jamaika gilt dank traumhafter Strände als Touristenparadies. Doch für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle kann das Leben dort zur Hölle werden. Aktivisten wollen das ändern – und organisieren in Montego Bay einen Pride. Im Interview erklärt Mitorganisator Maurice Tomlinson (auf dem Foto rechts), was genau geplant ist.

Spartacus Traveler: In Jamaika ist Sex zwischen Männern verboten, Amnesty International berichtet über Folter und Misshandlungen von Schwulen durch die Polizei, du selbst wurdest mit dem Tod bedroht. Trotzdem organisierst du in Montego Bay einen Pride. Wie muss man sich den vorstellen?

Maurice Tomlinson: Völlig anders als in den Ländern des globalen Nordens! Der Pride findet an einem geheimen Ort statt, um unsere Sicherheit zu gewährleisten. Alle Teilnehmer müssen sich online registrieren. Wir chatten dann per Mail mit ihnen, um sicherzugehen, dass sie ernsthaft interessiert sind. Am Tag vor dem Pride nennen wir den Teilnehmern einen Treffpunkt. Dort holen wir sie ab, sprechen erneut mit ihnen und erst dann geht es zum Pride. Der fand in den letzten Jahren immer an einem privaten Strand statt.

Und dort wird dann gefeiert?

Auch. Aber nach einiger Zeit verlassen wir den Strand, fahren in die Stadt und veranstalten dort unangekündigte Pop-up-Proteste. Fünf Minuten sind wir dann mit unseren Flaggen und Bannern auf der Straße und bringen zum Ausdruck: Wir sind hier, wir sind schwul, und wir bleiben Teil dieser Gesellschaft! Dann fahren wir weiter zum nächsten Pop-up-Protest. Außerdem haben wir im Rahmen des Pride vor zwei Jahren ein Krankenhaus für Menschen mit geistigen Behinderungen und im vergangenen Jahr eine Polizeistation mit blauer Farbe neu angestrichen. Ziel ist, die Beziehungen zwischen unserer Community und der Gesellschaft zu verbessern.

Wie haben die Polizisten reagiert, als ihr da aufgekreuzt seid?

Das war natürlich vorher mit der Polizeiführung abgesprochen. Trotzdem gab es einige Beamte, die uns nicht bei sich haben wollten. Aber die mussten sich fügen. Als wir fertig waren, wollten wir mit den Polizisten ein Foto vor der frisch gestrichenen Wand machen. Die Beamten weigerten sich – bis der Vize-Polizeichef aus seinem Büro kam und sie dazu gezwungen hat (lacht). Die Führungsebenen waren also aufgeschlossener als die unteren Ränge. Das ist noch ein langer Überzeugungsprozess.

Was ist in diesem Jahr geplant?

Wir wollen nicht mehr nur mit Pop-up-Protesten demonstrieren, sondern, wenn wir die Erlaubnis bekommen, auch gemeinsam durch Montego Bay laufen – weniger in Form einer Parade, sondern eher als Spaziergang. Außerdem organisieren wir schon seit Längerem ein LGBT-Filmfestival, das wir ausbauen wollen. Wir führen dabei die Zuschauer etwas hinters Licht. Denn wir werben mit einem kostenlosen Kinofilm, sagen aber nicht, dass es sich dabei um einen queeren Film handelt. Nach der Vorführung diskutieren wir. Oft ist dies das erste Mal, dass die Zuschauer mit LGBTs diskutieren und sie als normale Menschen wahrnehmen.

Würdest du Besuchern aus Deutschland die Teilnahme am Pride empfehlen?

Selbstverständlich! Im vergangenen Jahr hatten wir sogar einen Lehrer aus Köln zu Besuch. Ich glaube, ihm hat es gefallen, denn er hat bei allen Aktivitäten mitgemacht. Unser Pride ist sehr sicher, bislang gab es nie einen Zwischenfall. Wir organisieren auch den Transport in Jamaika, sodass die Gäste keine öffentlichen Transportmittel nutzen müssen. Für uns ist es wichtig zu sehen, dass Menschen aus den Ländern des Nordens mit uns solidarisch sind. Das ermutigt uns sehr.

Zur Person: Maurice Tomlinson musste aus seiner Heimat Jamaika fliehen, nachdem er im Jahr 2012 Opfer einer Kampagne wurde. Weil er seinen kanadischen Mann geheiratet hatte, machten Zeitungen mit seinem Foto auf der Titelseite auf, Tomlinson erhielt Morddrohungen. Der 47-Jährige lebt heute in Toronto. Unter Vorsichtsmaßnahmen kehrt er regelmäßig nach Jamaika zurück. Er organisiert gemeinsam mit einer Gruppe von Aktivisten seit 2015 den Montego Bay Pride.

Zum Pride: Der nächste Montego Bay Pride findet vom 8. bis 14. Oktober 2018 statt. Weitere Informationen: www.facebook.com/MoBayPride

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