Belgrad Pride wird zur Bewährungsprobe für lesbische Premierministerin

Vor einem Jahr wurde Serbiens Regierungschefin Ana Brnabić für ihre Teilnahme am Belgrad Pride international gefeiert (blu berichtete). Inzwischen sieht es zumindest in ihrer Heimat anders aus. LGBTIQ*-Aktivisten sind unzufrieden mit Brnabićs LGBTIQ*-politischer Bilanz. Manche forderten sogar ihre Ausladung vom Belgrad Pride am Wochenende. Sie kam trotzdem

Eigentlich war es wie immer beim Belgrad Pride. Seit die Parade im Jahr 2010 von homophoben Gegnern durch Molotov-Cocktails und Schlägern attackiert wurde, wird sie mit einem massiven Polizeiaufgebot geschützt. Gleichzeitig sind am Rande des Umzugs stets Anhänger der Serbisch Orthodoxen Kirche im Einsatz, die das queere Treiben mit Protestgebeten stören. Über gewaltsame Ausschreitungen wurde von der Parade am Samstag nichts berichtet. Wohl aber vom Streit der Community über die Vereinbarkeit von Mainstream-Politik und Pride-Bewegung. 

Seit Serbiens lesbische Premierministerin Ana Brnabić vor einem Jahr beim Belgrad Pride den Satz sagte „Die Regierung ist für alle Bürger da und wird den Respekt vor den Rechten aller Bürger sichern“, ist politisch nicht viel passiert. Eingetragene Lebenspartnerschaften gibt es immer noch nicht, die Ehe für alle ist nach wie vor verfassungsrechtlich ausgeschlossen, die Trans*-Gesetze sind unterentwickelt. Dass Ana Brnabić  an diesen Zuständen seit ihrem Amtsantritt im Juni 2017 nichts geändert hat, nehmen ihr viele übel. Zudem hatte Brnabić im Vorfeld des Pride mit Aussagen für Unmut gesorgt, die die politiische Untätigkeit mit der mehrheitlichen Ablehnung der Serben gegenüber Homosexualität (laut einer Umfrage des Guardian von 2017 sind 78 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass Homosexualität in der Öffentlichkeit nicht gezeigt werden sollte) rechtfertigte.

Statt „Ana Je Tu“-Slogans („Ana kommt“) war somit am Rande der diesjährigen Parade oft „Reci Ne“ („Sag Nein“) zu hören. Der Slogan war zuvor vom queeren Aktivisten Predrag Azdejkovic ausgegeben worden. Er war gleichzeitig eine ironische Verdrehung des Pride-Mottos „Reci da“ („Sag Ja“) und eine Absage an eine diskriminierende Mainstream-Politik. Ana Brnabić mischte sich derweil trotzdem unters Volk, diskutierte mit Aktivisten und gab Interviews. Bekenntnisse zu konkreten politischen Fortschritten gab es dabei aber nicht.

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