Years & Years „Ich bin froh, dass ich das tun kann!“

2015 war „King“ eine extrem erfolgreiche Single, und der Erfolg kam, wie heute so oft, aus dem Nichts. Sänger Olly Alexander sieht es als Segen – nur, dass er die Nummer wieder und wieder singen muss, beginnt zu nerven, aber: „Jetzt lass ich ihn einfach das Publikum singen“, lacht er. Damals bezeichnete NME Years & Years als die wichtigste Pop-Band, vor allem weil Olly ohne Angst von seinem Leben sprach – ob über sein Schwulsein, seine Probleme mit Depressionen oder den Kampf gegen Angstzustände. Doch wenn man mit ihm in der Sonne Berlins über das neue Album spricht, wirkt er zunächst selbst wie ein Sonnenschein.

Drei Jahre zwischen zwei Veröffentlichungen sind eine lange Zeit heutzutage.

Oh ja. Du denkst dir, ein Album sind 45 Minuten, zehn Songs – wie schwer kann das sein? Aber das ist herausfordernder, als man meint. Ich kann auch nicht gut schreiben, wenn ich unterwegs bin, ich bin gern allein mit meinem Piano. Doch vor allem brauchte ich neue Erfahrungen – man kann nicht über den Touralltag singen.

Wie war denn die erste große Tour?

Wir haben alle ein wenig den Verstand verloren. Ich war an so vielen Orten, aber ich erinnere mich an nichts. Wir waren nur auf den Bühnen, spielten die Shows und verschwanden wieder.

Ich höre einen ziemlichen „junger Justin Timberlake“-Vibe auf einigen Tracks, besonders „Karma“. Zufall oder Absicht?

Absicht! Ich liebe diese Ära des Pop – die frühen Neptunes und Timberland, Britney und Christina …

„Karma“ klingt auch glatt wie eine zweite Single für mich …

Es wurde diskutiert. Die researchen ja alles aus den Liedern, um herauszufinden, was die risikoloseste Single ist. Es ist ein bisschen deprimierend – aber anderseits mag ich alle Songs, darum ist es auch wieder in Ordnung.

Wenn man bedenkt, wie offen du über alles sprichst, hätte man erwarten können, dass sich das auch direkt in deinen Texten widerspiegelt …

Egal wer du bist und was du tust, es ist automatisch politisch. Besonders als ein offen schwuler Künstler, der einfach nur aus seinem speziellen schwulen, queeren Blickwinkel schreibt – auch wenn ich das nicht direkt thematisiere. Wenn ich Musik mache, kann ich nicht anders, als das Persönliche zu übersetzen, all das, was mir durch den Kopf geht, ob Dinge aus meiner Kindheit, aus meinen Beziehungen, meine geistige Gesundheit – das alles hat seinen Weg auf das Album gefunden. Aber nicht explizit, nicht als deutliches Statement. Ich möchte in meine Lieder flüchten können.

Fühlst du mittlerweile eine Verantwortung, die du vielleicht gar nicht wolltest?

Ich bin froh, eine Plattform zu haben. Offen über meine geistige Gesundheit zu reden, hat mir geholfen, damit umzugehen und meinen Platz in der Welt besser zu bestimmen. Für mich war es einfach hilfreich. Und ich glaube auch: Ja, ich habe jetzt ein gewisses Maß an Verantwortung, weiter darüber zu sprechen. Ich bin froh, dass ich das tun kann – ich meine, du kannst auch nur bis zu einem gewissen Punkt immer nur darüber reden, wie es im Studio war. Das interessiert doch die meisten nicht! (lacht)

*Interview: Christian K.L. Fischer

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