Veneno: Das Leben von Trans-Ikone und Sexsymbol Cristina Ortiz Rodríguez

Madrid, 1996. Eine der beliebtesten Late-Night-Shows geht für einen Bericht über Prostitution auf die Straße und plötzlich taucht sie auf; langes braunes Haar, leuchtend rote Lippen, üppige Brüste und eine scharfe Zunge. Über Nacht wird Cristina 'La Veneno' Ortiz (1964-2016) zu einer Mediensensation und wird bald zur sichtbarsten Transfau der spanischen Unterhaltungsindustrie. Fast 25 Jahre nach ihrem Fernsehdebüt erscheint nun die biografische Serie Veneno, die dem Erbe der LGBTQ+-Ikone neues Leben einhaucht.
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Der Weg zu ´La Veneno´

Aufgewachsen in der Stadt Adra in Andalusien, einer Region Südspaniens, wusste Cristina schon in jungen Jahren, dass sie eigentlich eine Frau ist. Das Ausleben traditionell weiblicher Eigenschaften als männlicher Teenager führte zu einer Kindheit voller Belästigungen und Übergriffe, in der ihre Mutter die Rädelsführerin war. Nachdem Cristina von ihren Eltern aus dem Haus geworfen wurde, zog sie mit 13 Jahren mit einer ihrer Schwestern nach San Pedro de Alcántara. 1991 ging sie schließlich in die spanische Hauptstadt Madrid, wo sie als Küchenhilfe in einem Krankenhaus arbeitete. Inspiriert von den Transgender-Frauen und Drag Queens, die sie in dieser Zeit traf, begann sie 1992 mit ihrer Geschlechtsangleichung. Wie in der Serie dargestellt, wurde sie sofort entlassen, als sie mit ihrer Transition begann und hatte danach nur wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt abgesehen von der Sexarbeit.

La Veneno (L) und Daniela Santiago (R)

Wir springen ins Jahr 1996. Ein Reporter der beliebten Late-Night-Show Esta Noche Cruzamos el Mississippi begibt sich für eine Reportage über Sexarbeit in Madrids Parque del Oeste, ein Park in welchem sich Cristina und andere Transfrauen häufig aufhielten. Mit ihrem glamourösen Aussehen und ihrem charismatischen Humor stiehlt Cristina sofort allen die Show. Ihr Auftritt wurde direkt zu einem Hit bei den Zuschauern und erwies sich als beeindruckend genug, um sie zum Stammgast in der TV-Show zu machen. Doch dabei blieb es nicht! Cristina machte schließlich auch Karriere als Model, Sängerin und Schauspielerin. Bald wurde sie zu einer Ikone der LGBTQ+-Community und zu einer beliebten Medienpersönlichkeit. 

 

Von den höchsten Gipfeln in die tiefsten Täler

Cristinas bunte Karriere verblasste, als sie 2003 sowohl der Brandstiftung als auch des Versicherungsbetrugs für schuldig befunden wurde. Dies führte zu einer Haftstrafe von drei Jahren. Da sie weder ihren Namen noch ihre Geschlechtsidentität offiziell geändert hatte, wurde sie in ein Männergefängnis gebracht. Als Cristina 2006 freigelassen wurde, erzählte sie von ihrer Zeit im Gefängnis und behauptete, von den Wärtern mehrmals sexuell missbraucht worden zu sein.

Ihr TV-Comeback feierte sie 2006, aber die Welt hatte sich in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt und sie wurde nun eher verspottet als gefeiert wie einst in den 1990er Jahren. Nachdem sie während ihrer Haftzeit zugenommen hatte, wog sie über 120 kg. Obwohl Cristina in kurzer Zeit wieder satte 35 kg verlor, enthüllte sie später, dass sie an Bulimie und Depressionen litt.

Am 3. Oktober 2016 veröffentlichte Cristina ihre Memoiren, die sie gemeinsam mit der Journalistin und engen Freundin Valeria Vegas geschrieben hatte. Der Titel? Digo! Ni puta ni santa: Las memorias de La Veneno (Ich sage es euch! Keine Hure, keine Heilige: Die Erinnerungen von La Veneno).

Nur etwa einen Monat nach der Veröffentlichung ihres Buches starb Cristina im Alter von 52 Jahren. Sie wurde am 5. November von ihrem Freund in ihrem Haus schwer verletzt gefunden. Cristina war mit einer tiefen Kopfwunde und mehreren Prellungen kaum bei Bewusstsein. Vorsorglich wurde sie im Krankenhaus ins künstliche Koma versetzt, bevor sie vier Tage später an ihren Verletzungen starb. Der Gerichtsmediziner kam zu dem Schluss, dass Cristina gestürzt war, möglicherweise aufgrund der Kombination einer hohen Dosis des Medikaments Xanax und Alkohol.

Trotzdem haben einige Menschen, die La Veneno nahestanden, ihre Zweifel. In ihrem sozialen Umfeld und ihrer Fangemeinde gibt es Spekulationen, dass ihr Tod alles andere als ein Unfall war. Dies liegt daran, dass Cristina nach der Veröffentlichung ihrer Memoiren, in denen sie verschiedene Anekdoten über ihre Affären mit mächtigen und einflussreichen Personen schildert, mehrere Morddrohungen erhalten hatte.

 

Keine Hure, keine Heilige: Die Serie Veneno

Vedet

Die beeindruckende Serie 'Veneno' entstand basierend auf Cristinas Memoiren. So wie La Veneno selbst in den 1990er Jahren die Sichtbarkeit von Transgender-Menschen erhöht hatte, schafft die Serie in den 2020er Jahren das Gleiche. Die Macher bestanden darauf, dass alle Transgender-Charaktere von Schauspielern gespielt werden, die tatsächlich selbst Transgender sind. Zum Beispiel porträtieren drei Transgender-Schauspielerinnen Cristina in verschiedenen Phasen ihres Lebens.

 L - R: Vedet, Daniela Santiago & Isabel Torres

In Spanien wurde die Serie bald ein Hit. Mit begeisterten Kritiken wurde das Land an eine geliebte Figur aus einer Zeit erinnert, in der Transgender alles andere als geliebt und respektiert waren. Die Serie hat auch auf die aktuelle Wahrnehmung und die Erfahrungen junger Transgender-Menschen im Land aufmerksam gemacht, die sich in vielerlei Hinsicht von der Zeit unterscheidet, in der La Veneno berühmt wurde. Während die spanische LGBTQ+-Community derzeit mehr Akzeptanz und gesetzliche Rechte genießt als zu Cristinas Blütezeit, ist der Kampf um Gleichberechtigung noch lange nicht vorbei.

Inzwischen ist die Serie ein internationaler Hit. In den USA wird Veneno von HBO Max ausgestrahlt. Ab 11. Oktober können aber auch europäische Zuschauer die wunderbare Serie genießen. Veneno kann exklusiv auf OUTtv Pro gestreamt werden.

Daniela Santiago

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