Keine Sternstunde, oder: Warum ein Schwuler kein Sack Reis ist.

Gestern berichteten wir anhand einer vom Magazin Stern lancierten Vorabinformation über das – wie wir fanden – recht späte und auch nicht wirklich überraschende Coming-out des Moderators und Schauspielers Jochen Schropp. Was genau daran jetzt nachrichtenwürdig war, ist inzwischen zum eigentlichen Inhalt der Diskussion geworden. Und zwar zurecht.

Dass Jochen Schropp schwul ist, ist nämlich eigentlich keine Nachricht. Sein Umfeld wusste es seit Langem, er ging auch nicht geheimniskrämerisch mit der Sache um, zeigte sich auch in männlicher Begleitung in der Szene, moderierte ganz selbstverständlich die Preisverleihung des Teddy-Awards 2015. Warum dann jetzt die große „Coming-out-Story" im Stern, wenn es sowieso schon „jeder" wusste der es wissen wollte? Jochen Schropp selbst gibt darauf die richtige Antwort in seinem offenen Brief und in einem Interview, das in der aktuellen Ausgabe des Stern zu lesen ist. Weil es ihm gar nicht um ihn selbst geht, sondern um Sichtbarkeit. Weil es leider immer noch nicht selbstverständlich ist, dass man homosexuell sein kann, wenn es nicht näher erwähnt wird. Dazu gleich mehr.

Warum jetzt die große Story im Stern? Leider gab die Redaktion des Stern selbst – zumindest der für Social Media zuständige Teil – gestern die falsche Antwort darauf, indem sie das Coming-out an sich zur Story machte. „Jochen Schropp ist schwul" war in der Vorabnachricht das, was als News dargestellt wurde. Und darum ging es dann auch in unserem Beitrag auf blu.fm. Die Tatsache alleine ist nämlich keine News, nur der Umgang damit. Und den hat der Stern mit seiner Vorabveröffentlichung gründlich verbockt.

Dabei sind der Brief und das Interview eigentlich wirklich wunderbar. Jochen Schropp erklärt nachvollziehbar, warum er es jahrelang für besser hielt, seine Sexualität aus den Medien herauszuhalten – in Deutschlands Filmszene wird man als schwuler Mann immer noch gerne in Schubladen gesteckt, aus denen es schwierig ist, wieder herauszukommen. Jemand der in Rosamunde-Pilcher-Schmonzetten den Herzensbrecher spielt, gilt als offen homosexuell lebender Mann schnell als unglaubwürdig und wird in derartigen Rollen wohl nicht mehr besetzt. Das ist der eigentliche Skandal und auch der Tenor in Schropps Stern-Interview.

Kurz: Wenn man Jochen Schropp im nachhinein irgendetwas ankreiden möchte, dann höchstens dass er seinen Wunsch, weiterhin als Schauspieler in bestimmten Rollen besetzt zu werden seiner Vorbildfunktion als in der Öffentlichkeit stehender Mensch vorangestellt hat und sich deshalb jahrelang darauf verlassen hat, dass die Presse zu seiner Sexualität Stillschweigen bewahrt. Na gut, das sei ihm verziehen. Schöner wär's anders gewesen, aber das ist nun wirklich Privatsache.

Ein großes Lob dagegen gebührt Jochen Schropp heute – nicht für das Coming-out an sich, sondern dafür, dass er in seinem Brief seine Beweggründe für die Geheimniskrämerei erklärt, offen aus seinem Leben und seiner Gefühlswelt erzählt und seine Person damit der guten Sache hintenanstellt. Seine Offenheit wird hoffentlich vielen Menschen helfen, in ihrem eigenen Leben freier zu sein und zur Normalität von LGBTIQ* in der Gesellschaft beitragen.

Das große „BUUUUH!" geht in Richtung der Stern Social Media Redaktion, die das alles wohl immer noch nicht kapiert hat und sich damit gestern so richtig schön selbst ins Bein geschossen hat, dass sie das nicht still halten konnten und das Coming-out als eine Sensation verkauften, die es ganz explizit nicht war und auch nicht sein sollte.

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