Interview: PrEP – „Sex wird wieder frei“

Seit 2017 ist sie in Deutschland. Von ursprünglich rund 800 Euro monatlichen Kosten sank der Preis für die PrEP auf aktuell bis zu rund 40 Euro und die erste gesetzliche Krankenkasse erklärte Anfang Dezember 2018 die freiwillige Kostenübernahme. In 2019 soll PrEP reguläre Kassenleistung werden, plant Gesundheitsminister Jens Spahn. Großen Anteil an dieser schnellen Entwicklung haben engagierte Ärzte und Apotheker, die PrEP über spezielle Angebote schon vor den Preissenkungen für die auf Privatrezept flächendeckend erhältlichen Generika erschwinglich machten. Wir sprachen mit Dr. Inka Krude von der Alten Apotheke in Bochum, die zusammen mit dem Pharmaunternehmen TAD und Prof. Dr. Norbert Brockmeyer vom WIR-Zentrum für sexuelle Gesundheit in Bochum ein Verblisterungskonzept zur PrEP anbieten.

Foto: Birgit Greifenberg/dpa

Professor Norbert Brockmeyer

Schätzungen gehen von rund 6.000 PrEP-Nutzern in Deutschland aus. Immer noch kaufen sich viele davon ihre Medikamente über den Schwarzmarkt bzw. über das Ausland. Warum?

Prof. Brockmeyer: Das sind zwei wesentliche Punkte. Zum einen ist es immer noch nicht bekannt genug, dass man sich die PrEP auch in Deutschland zu günstigen Preisen verschreiben lassen kann. Der andere Punkt ist der, dass es mit Sexualität zu tun hat. Sexualität ist nach wie vor ein großes Tabuthema. Viele haben Angst, sich als promiskuitiv zu outen und stigmatisiert zu werden.   

Welche Risiken birgt das?

Prof. Brockmeyer: Ein ganze Vielfalt. Für das Individuum die Gefahr, dass über das Internet gekaufte Medikamente nicht zu 100 Prozent sicher sind. Das Problem von gefälschten Medikamenten ist höher. Das zweite große Problem ist, dass die regelmäßigen Untersuchungen eventuell ausbleiben. Sind die Nutzer wirklich nicht mit dem HI-Virus infiziert? Werden die Nebenwirkungen, insbesondere der Nieren beobachtet? Was ist mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten? Auch deshalb bieten wir im WIR ein Selbsttestset für HIV und die gängigen STI an.

Dr. Inka Krude

Sie, Professor Brockmeyer von der Deutschen STI-Gesellschaft und das Pharmaunternehmen TAD haben ein besonderes PrEP-Konzept lanciert, das zudem mit dem Leuchtturmprojekt WIR* verzahnt ist. Was ist das Besondere an „ihrer“ PrEP?

Dr. Krude: Ursprünglich war das vor allem der Preis. Im Oktober 2017 kostete die PrEP regulär rund 800 Euro, wir konnten sie über unser Konzept für 52 Euro schnell verfügbar und sicher anbieten. Bei uns kann man die PrEP innerhalb einer Stunde fertig verblistert bekommen, was besonders auch für Menschen mit längerer Anreise praktisch ist.

Was waren Ihre ganz persönlichen Gründe, sich so zu engagieren? Reich werden Sie damit ja nicht …

Dr. Krude: Ich hätte nicht Apothekerin werden sollen, wenn ich nicht auch den Menschen sehe: Der Bedarf ist einfach enorm groß. Der Bedarf, sich zu schützen. Der Bedarf, sich beim Sex freier zu fühlen. Zum Beispiel in Beziehungen mit einem HIV-positiven Partner, wo ich nicht erst fragen muss, ob nun die Virenlast schon unter der Nachweisgrenze ist. Oder bei ganz vielen anderen Situationen – die Erfahrungen aus dem Jahr sind sehr vielfältig und mit einer großen Dankbarkeit verbunden. Ein bisschen stelle ich mir das vor, wie die sexuelle Revolution in den 1960er-Jahren gerade. Sex wird wieder frei.

Sie sind – nach aktuellen Stand – in der weiteren Preisrunde mit 42 Euro im Monat mit der günstigste Anbieter, allerdings nur regional und verglichen mit dem Privatrezept nicht anonym. Was erhoffen Sie sich?

Dr. Krude: Meine Hoffnung ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen die PrEP übernehmen und wir sind ja wohl so nah dran, wie nie zuvor. Damit wäre dann die Verblisterung nicht mehr nötig. (Siehe Infokasten „How to PrEP“ A.d.R.)

Wie bewerten Sie die geplante Kassenübernahme der PrEP?

Prof. Brockmeyer: Wir sehen die großen Erfolge der PrEP in London, in Australien und einigen Städten der USA, wie New York. Wir sind sicher mit der PrEP in der Lage die Neuinfektionen noch weiter nach unten zu drücken. Für mich ist auch sehr wichtig, dass Menschen, die PrEP wollen, oft nicht alleine zum Beispiel zu uns ins Zentrum kommen. Sie bringen Leute mit, erzählen anderen davon. Und zwar nicht nur von der PrEP, sondern auch über andere STI. Wir stoßen damit in völlig neue Netzwerke und Communitys vor und schaffen es so, in diesen wegen der Stigmatisierung von Sexualität bisher fast unzugänglichen „Black Markets“ vorzudringen. Wichtig ist bei dem Gesetz, dass hoffentlich die Beratung anständig bezahlt wird. Wir brauchen mindestens eine halbe Stunde beim ersten Gespräch und auch beim zweiten Gespräch tauchen immer noch Fragen auf. Wenn wir das nicht anständig machen, geht die PrEP nach Hinten los.

Dr. Krude: Ich habe erst kürzlich wieder einen Beitrag gesehen: Laut Weltgesundheitsorganisation ist Sex ein Grundbedürfnis. Das muss einfach in die Köpfe und die Gremien. Alles was medizinisch zu diesem Grundbedürfnis gehört, sollte ein Gesundheitssystem abdecken. Von der Verhütung bis zur PrEP.

*Interview: Christian Knuth


INFO

How to PrEP

In Deutschland gibt es zurzeit zwei Wege, die PrEP zu bekommen. Zunächst den im Interview beschriebenen Weg über ausgewählte Apotheken und in Zusammenarbeit mit bestimmten Ärzten, der eine engmaschigen Betreuung und einen mit rund 40 Euro sehr günstigen Preis bietet. Der Nachteil dieser Konstrukte ist die nicht flächendeckende Verfügbarkeit und für einige vielleicht auch die enge, nichtanonyme Bindung an Ärzte und Apotheken – die Verblisterung erfolgt personalisiert, so dass sogar die achtlos weggeworfene Verpackung den Nutzer verrät.

Wer gut informiert ist und seine regelmäßigen Untersuchungen auf HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten, sowie die Überwachung von Nieren- und Knochenwerten selbst planen will, für den ist es möglich, sich einfach ein Privatrezept ausstellen zu lassen und es in jeder Apotheke einzulösen. Diese Wahlfreiheit und Anonymität kostet aktuell monatlich nur rund fünf Euro mehr, als der zeitaufwendigere Weg über die Verblisterung wenn man den günstigsten Anbieter wählt (TAD Pharma 58,99 Euro pro 35 Stück).

Euer Arzt oder Apotheker des Vertrauens berät euch diesbezüglich gern, unter prep.jetzt findet ihr außerdem weitere Infos rund um die PrEP.

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