Big Freedia: Wenn man Stärke ausstrahlt, erzeugt das Respekt

Big Freedia (sprich: „Frieda“) kommt aus New Orleans, rappt, tanzt und hat schon mit Stars wie Beyoncé (auf „Formation“), Drake (auf „Nice for What“), Diplo („Drop“) und mehrfach auch RuPaul (z. B. auf „Peanut Butter“ oder „Freaky Money“) zusammengearbeitet. Die „Queen Diva of Bounce“, die eigentlich Freddie Ross heißt, hat sich den Erfolg hart erarbeitet und gilt als Wegbereiter ihres Musikgenres, der „Bounce Music“. Wir haben sie in Berlin getroffen.

Kannst du uns Ahnungslosen in ein paar Worten erklären, was „Bounce Music“ ist?

Ich definiere „Bounce Music“ normalerweise als ein Subgenre des Hip-Hops, das schnell, basslastig, mit Call-and-Response-Elementen durchsetzt und in New Orleans zu Hause ist. Der Bounce macht gute Laune, bringt deinen Arsch in Bewegung, regt dazu an zu twerken und auch andere Körperteile in Bewegung zu versetzen. Bounce macht Spaß und ich liebe ihn!

Du musstest einmal ein Konzert in Mississippi absagen, weil dort Twerking verboten ist …

Ja. Die sagten, meine Musik würde zu illegalem Hüftkreisen („Gyrating“) führen, was in Mississippi als simulierter Sexualakt verboten ist. Meine Anwälte haben sich dagegen aber im Nachhinein gewehrt und wir konnten das Konzert später auch nachholen. Mit Tanz können die Menschen ausdrücken, was sie tun wollen und wie es ihnen geht. Das zu verbieten, ist die blödeste Idee, die ich je gehört habe. Aber am Ende haben wir gewonnen, sind nach Mississippi gefahren und haben es in Grund und Boden getanzt.

Was sind deine musikalischen Hauptinspirationen? Andere Rapper?

Nein. Momentan inspiriert es mich am meisten, durch die Welt zu reisen, unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu treffen und damit unterschiedliche Schwingungen und Energien aufzunehmen. Und RuPaul inspiriert mich immer noch enorm. Wir haben schon oft zusammengearbeitet und es ist einfach phänomenal, wie hart sie an ihrem Erfolg arbeitet und was sie in ihre Karriere steckt. Diese Lebenseinstellung beeindruckt mich sehr.

Wie entsteht bei dir in der Regel ein neuer Track?

Alles beginnt mit dem Beat. Man braucht einen guten Beat als Fundament für einen Bounce-Track, um dann Text und Melodie darauf aufzubauen. Ich fühle den Rhythmus und der inspiriert mich dazu, etwas Tolles zu schreiben. Ich arbeite dann meist Hand in Hand mit meinem Produzenten und wir bauen den Song gemeinsam auf.

Kannst du uns das „Gesamtkunstwerk“ Big Freedia ein wenig näherbringen?

Big Freedia ist ein echtes Erlebnis. Dabei geht’s um Fierceness, Mut, Inspiration, eine Menge freche Schlagfertigkeit, viel Liebe, Energie und positive Ausstrahlung, eine starke Arbeitsmoral und Menschlichkeit. Das Gesamtpaket macht mich aus. Ich bin mit der Gabe gesegnet, Musik zu machen, und versuche, damit den Menschen auf meine Art durch ihren Alltag zu helfen.

Fühlst du dich im Musikbusiness vollständig akzeptiert? Oder schlägt dir ab und an Homo- oder Transphobie entgegen?

Ich lebe nach der Devise, dass man andere Menschen respektieren muss, um selbst Respekt zu erfahren. Ich respektiere andere so wie sie sind, behandle niemanden geringschätzig und werde daher auch von allen respektiert. So wie sich das gehört. Und so mag ich das. Als ich meine Karriere begann, hatte ich schon manchmal Probleme mit dem Coming-out, oder als schwuler Künstler irgendwo zu performen; das war damals noch nicht so akzeptiert. Aber das ist jetzt auch schon 20 Jahre her und seither haben die Leute mich und meine Musik lieben gelernt. Ich arbeite auch wirklich hart daran, positive Veränderungen herbeizuführen, ganz besonders in meiner Heimatstadt New Orleans. Inzwischen dominieren schwule Künstler die Bounce-Szene in New Orleans. Außerdem muss man immer zu dem stehen, was man ist – das hat mir meine Mutter schon immer gesagt. Und wenn man Stärke ausstrahlt, erzeugt das auch Respekt.

Wenn mir jemand blöd käme, dann wüsste ich damit aber auch umzugehen und das dürfte für denjenigen dann auch nicht sonderlich gut ausgehen. (lacht)

Deine Reality-Show „Big Freedia Bounces Back“ wird in diesem Jahr zum ersten Mal auch in Deutschland (auf OUTtv pro powered by blu) zu sehen sein. Arbeitest Du daran noch?

Nein, momentan ist damit nach sechs Staffeln erst mal Pause. Unser alter Sender Fuse hat die Serie nicht verlängert und momentan ist noch nicht klar, ob es vielleicht anderswo weitergehen wird. Ich konzentriere mich auch momentan auf andere Bereiche meiner Karriere, weil mich die Musik gerade extrem beschäftigt hält. Die Show war über lange Zeit sozusagen ein zweites Standbein und ein gutes Vehikel, um meine Musik einem breiten Publikum zu vermitteln. Ich mache gerade so viele verschiedene Dinge: Ich habe Gastauftritte im Fernsehen, ich arbeite mit anderen Künstlern zusammen – aktuell bin ich zum Beispiel auf „Nice for What“ von Drake zu hören – und bin daher wirklich beschäftigt, auch wenn es bislang keine siebte Staffel meiner Serie gibt.

Ich kann den Leuten aber nur raten, die Show anzusehen, sie werden daraus viel Inspiration für ihr eigenes Leben ziehen können. Ich habe darin mein Leben für meine Fans und alle anderen Zuschauer geöffnet. Meine Familie, meine Freunde, mein Liebesleben, das alles wird in der Serie dargestellt. Als meine Mutter zum Beispiel während der vierten Staffel starb, hatte ich sie bereits mit der Welt teilen dürfen. Sie hat enorm viele Leute inspiriert, besonders Menschen die selbst von Krebs in der Familie betroffen sind. Ich konnte auch vielen Kindern von krebskranken Eltern helfen, mit der Situation von Tag zu Tag umzugehen. Aus der Show kann man wirklich eine Menge lernen.

Du hattest deine Kooperationen mit RuPaul ja bereits erwähnt – können wir mit mehr davon rechnen?

Absolut. Wir haben zusammen eine Menge tolle Songs gemacht und dabei auch gutes Geld verdient, es gibt keinen Grund, warum wir das nicht fortsetzen sollten.

Abschließend die Frage: Hast du irgendwelche Ratschläge für Baby Queens, die ihren Weg in der Welt erst noch finden müssen?

Und ob ich die habe! Überstürze nichts, nimm dir Zeit, deinen eigenen Weg zu finden. Finde gute Freunde und stelle sicher, dass du Menschen um dich hast, die dich unterstützen und zu dir stehen, bevor du dein „großes“ Coming-out hast. Ein derartiges Support-System zu haben, auf das man sich verlassen kann, ist das Allerwichtigste.

„Sei du selbst. Lebe dein eigenes Leben,

verfolge deine eigenen Träume.“

Finde Wege zur finanziellen Unabhängigkeit, während du heranwächst, und schaffe ein Fundament, auf das du in deiner Zukunft die großen Dinge bauen kannst. Für mich war meine Mutter die größte Unterstützung, mein Rückgrat. Sie hat mich immer beschützt und nie zugelassen, dass mich jemand verletzt. Das war wahnsinnig wichtig für mich – so konnte ich stark werden, mich frei entfalten und selbst finden. Wir brauchen mehr Eltern in dieser Welt, die bedingungslos zu ihren Kindern stehen und ihnen helfen, sie selbst zu sein.

Big Freedias EP „3rd Ward Bounce“ ist gerade erschienen und überall erhältlich. Ihre Reality-TV-Serie wird im Laufe von 2018 bei OUTtv pro powered by blu zu sehen sein.


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